Martin Dabrowski & Judith Wolf: Crowdworking und Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt
Rezensentin:
Ramona Zacherl, FBZHL
Originalliteratur:
Martin Dabrowski & Judith Wolf (Hrsg.): Crowdworking und Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Paderborn, Schöningh 2017, ISBN 978-3506787224, 171 Seiten, EUR 29,90.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 75. Erg.-Lfg. Juni 2018 www.personalwirtschaft.de/elearning
Der Begriff „Crowd“ (engl. Masse) ist dank Crowdfunding oder Crowdsurfing mittlerweile auch im deutschen Sprachgebrauch geläufig. Doch was genau kann man sich unter Crowdworking bzw. Crowdsourcing vorstellen? Im Grunde handelt es sich dabei um eine spezifische Form des allseits bekannten Outsourcings. Beim Crowdsourcing werden ebenfalls Aufgaben oder Projekte nach außen delegiert, allerdings nur auf mittelbarem Wege. Zwischen Unternehmen und Freelancer agieren digitale Plattformen als Vermittler, die das Matching zwischen Crowdsourcer (Auftraggeber) und Crowdworker (Auftragnehmer) arrangieren. Während beim Outsourcing klassischerweise ganze Prozessketten oder zumindest Teilbereiche davon an externe Dienstleister übergeben werden, sind es beim Crowdsourcing häufig in kleinste Arbeitspakete zerlegte Aufgaben, die von selbstständigen Freiberuflern erledigt werden. Diese müssen dann gar nicht zwangsläufig wissen, für welchen Betrieb die Zuarbeit überhaupt geleistet wird. Mehr als ein Zugang zum Internet ist für die Arbeit als Crowdworker schließlich nicht notwendig.
Das Spektrum der Ausschreibungen ist dabei breit gefächert. Mal handelt es sich um simple Microtasks, mal um hochkomplexe Design- oder Programmiertasks Entsprechend weit ist auch die Lohnschere zwischen diesen beiden Extremen geöffnet. Die Vergütung pro Auftrag reicht von wenigen Cents bis hin zu mehreren Tausend Euro. Vor allem im Hinblick auf das „digitale Prekariat“, das teilweise deutlich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns arbeitet, werden politische Interventionen gefordert, um die Betroffenen vor Altersarmut und Ausbeute zu schützen und zugleich das Kollabieren des sozialstaatlichen Regelwerks zu verhindern. Doch auch höher dotierte Projekte geraten in die Kritik, wenn bei wettbewerbsähnlichen Formaten einzig und allein der Gewinner eine Vergütung für seine Leistung erhält.
Letztlich hat diese sog. Gig-Economy aber auch für Vorteile alle Beteiligten: Kostenersparnis (z.B. Sozialversicherungsbeiträge, Cost-per-Hire, Büroinfrastruktur etc.), kreative Impulse und Unternehmensgrenzen überschreitendes, fachliches Know-How auf der einen Seite. Freiheit, flexibler Nebenerwerb und/oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt auf der anderen Seite.
Crowdworking ist somit als eine weitere Begleiterscheinung der Digitalisierung einzustufen, die bisherige Selbstverständlichkeiten in Bezug auf Beschäftigungsformen, Arbeitsverhältnisse und gesellschaftspolitische Absicherungssysteme radikal in Frage stellt. Einerseits ist dies natürlich Grund genug, um sich auch auf wissenschaftlicher Ebene dem Phänomen anzunähern und es zu erforschen. Andererseits gilt es, Prognosen zu erstellen, die Aufschlüsse darüber erlauben, ob Crowdworking weiterhin eine Randerscheinung bleibt oder sich zu einer ernstzunehmenden Alternative des Angestelltenverhältnisses etablieren wird.
Der aus der gleichnamigen Tagung hervorgegangene Sammelband beschäftigt sich in vier Panels, d.h. je einem Referat und zwei Korreferaten, mit genau diesen Fragestellungen. Insgesamt wird Crowdworking so aus soziologischer, ökonomischer, sozialethischer und arbeitspolitischer Perspektive diskutiert. Obwohl es sich um ein akademisches Werk handelt, ist für das Verständnis der Argumentationen nicht allzu viel fachliches Vorwissen notwendig, sodass die Publikation beispielsweise für Mitarbeitende des Human Resource Managements von Interesse sein kann, die zukünftig Projektaufträge über digitale Plattformen vermitteln möchten oder dies bereits tun. Gleichermaßen könnten sich sowohl die digitalen Solo-Selbstständigen selbst als auch beispielsweise Gewerkschaften mithilfe dieses Buches interdisziplinäre Einblicke in die aktuelle Diskussion rund um das Thema Crowdworking verschaffen.