Stefanie Duttweiler et al. (Hrsg.): Leben nach Zahlen. Self-Tracking als Optimierungsprojekt?

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Rezensentin:
Ramona Zacherl, FBZHL
Originalliteratur:
Stefanie Duttweiler et al. (Hrsg.): Leben nach Zahlen. Self-Tracking als Optimierungsprojekt? Bielefeld, transcript Verlag 2016, ISBN 978-3837631364, 352 Seiten, EUR 29,99.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 71. Erg.-Lfg. Oktober 2017 www.personalwirtschaft.de/elearning


Anhänger der im Jahr 2007 in den USA gegründeten Quantified-Self-Bewegung erhoffen sich durch Self-Tracking „self-knowledge through numbers“, also Selbsterkenntnis durch Zahlen. Aus diesem Grund steht der eigene Körper unter genauester Beobachtung. Unter dem Begriff Self-Tracking wird die Vermessung eigener Verhaltensweisen, Körperzustände, emotionaler Zustände oder Körperleistungen (z. B. mithilfe von Apps oder sogenannten smart Wearables) verstanden. Jeder Zustand, jede Veränderung, jede Aktivität, ja quasi jeder mit dem Körper in Verbindung stehende Wert kann je nach Interessenslage erhoben, gemessen und dokumentiert werden. Diese auf unterschiedliche Art und Weise gewonnenen Daten können dann miteinander vernetzt werden und nach Belieben – beispielsweise zum gegenseitigen Ansporn oder dem Spaß am Konkurrenzkampf – mit den Mitgliedern der jeweiligen Community geteilt werden. Self-Tracker verbinden wissenschaftliche Neugier mit dem Willen zur Selbstoptimierung. Dieses Bild passt nur bedingt zu der eher fehleranfälligen und oftmals verzerrten, sinnlichen Selbstwahrnehmung. Objektive Zahlen sollen diesen Makel ausgleichen und optisch ansprechende Grafiken in Form von Kurven und Diagrammen zusätzlich zum Durchhalten motivieren. Bedacht werden sollte jedoch immer: Daten allein sind nicht mit „Wissen“ gleichzusetzen. Und auch das eigentliche Interesse, der in dieser Sparte aktiven Unternehmen, sollte bei der Nutzung dieser Gadgets mitbedacht werden.
 
Bei der Autorinnen und Autoren des Sammelbandes handelt es sich um insgesamt 19 SoziologInnen aus ganz Deutschland, deren Beiträge dazu dienen sollen, eine differenzierte Einordnung des Phänomens Self-Tracking – das hier grundlegend als Prozess der Auseinandersetzung des Selbst mit sich und den eigens produzierten Daten verstanden wird – vorzunehmen. Das Buch gliedert sich im Anschluss an die Einleitung der Herausgeber in die beiden Teile „Gegenwartsdiagnosen und Genealogien“ und „Subjekte und Technologien“, die jeweils sieben Beiträge umfassen. Der erste Teil widmet sich dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Praktiken der Selbstvermessung. Im zweiten Teil werden dann die Zusammenhänge zwischen den Praktiken und Technologien der Selbstvermessung und die damit verbundenen, subjektivierenden Effekte beleuchtet. Die Beiträge nähern sich dem Phänomen Selbstvermessung aus unterschiedlichen Perspektiven an, beispielsweise wird es als Ausdruck des gegenwärtigen Kapitalismus interpretiert oder mit betrieblichen Prozessen in Verbindung gebracht (z. B. betriebliches Gesundheitsmanagement oder Marketingstrategie). Auch die Spezifika der Selbstvermessung in den unterschiedlichen Anwendungsgebieten werden dabei genauer unter die Lupe genommen (z. B. Schlaf, Sport etc.). Die Einsatzbereiche scheinen nahezu grenzenlos zu sein. Das Bedürfnis nach einer mehr oder weniger wissenschaftlichen Erforschung des eigenen Körpers ist jedoch weder neuartig noch ein kurzzeitiger Trend. Das beweisen die ausführlichen Erläuterungen der historischen Vorläufer dieser Praxis.
 
Diese Publikation ist das komprimierte Ergebnis zweier Fachtagungen aus dem Jahr 2014. Von der Lektüre wird vermutlich die gleiche Zielgruppe profitieren können, für die auch eine entsprechende Tagungsteilnahme in Frage kommen würde. Aufgrund der häufigen Bezugnahme auf soziologische Theorien und deren Vertreter (v. a. Klassiker wie Max Weber und Michel Foucault) sowie die Verwendung der dazugehörigen Fachtermini, erleichtert ein gewisses soziologisches Vorwissen das Verständnis der Texte. Für Laien, die sich nicht mit komplexen Erklärungsansätzen auseinandersetzen möchten, sondern auf konkrete Beschreibungen hoffen, inwiefern sich Self-Tracking-Praktiken auf die Gesellschaft auswirken, dürfte das Buch aufgrund seiner Abstraktheit jedoch weniger gut geeignet sein.