46. Jahrestagung der dghd an der TH Köln (8.-10.03.2017)
Mitarbeiter des FBZHL waren vom 08. bis 10. März 2017 anlässlich der 46. Jahrestagung der dghd zu Besuch an der Technischen Hochschule Köln. Das Motto lautete dieses Mal „Prinzip Hochschulentwicklung – Hochschuldidaktik zwischen Profilbildung und Wertefragen“.
Wie jedes Jahr beinhaltete das Programm ein breites Spektrum an Schwerpunktsetzungen und Formaten – von der Postergalerie über Impulsforen, Workshops und Diskurswerkstätten, bis hin zu Schreib- oder Barcamps. Ausführliche Informationen zu allen Beiträgen gibt es hier: http://www.dghd.de/wp-content/uploads/2017/07/dghd17_programmheft.pdf
Es waren sehr viele inspirierende Inputs. Hier nur exemplarisch eine kleine Auswahl:
Die Diskurswerkstatt zu „Lehr-Lern-Forschung im Rahmen des Scholarship of Teaching and Learning an deutschen Hochschulen – Ein Einblick in die Praxis“ griff rin aktuelles und zugleich spannendes Thema auf, zu dem sich im Wintersemester 2016/17 auch bereits Teilnehmer unseres Zertifikatsprogramms der Vertiefungsstufe informieren und austauschen konnten. Im Prinzip geht es beim Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) darum, die eigene Lehre zu erforschen, zu reflektieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch zu publizieren. In der Diskurswerkstatt referierten Vertreterinnen und Vertreter der Universitäten Paderborn, Hamburg und Bielefeld was hinter diesem Konzept steckt und inwiefern es bereits an der jeweiligen Uni verankert wurde. Es zeigte sich, dass die Entwicklung ganz unterschiedlich weit fortgeschritten ist und das Konzept in verschiedenen Kontexten verankert wurde: Teils ist SoTL Bestandteil eines Studiengangs und das Verhältnis zwischen disziplinärer Methodik und dem hochschuldidaktischen Gegenstand noch klärungsbedürftig. Teils ist es in das hochschuldidaktische Zertifikatsprogramm eingebunden. Es erfordert dort zwar einen relativ großen Aufwand bei einer verhältnismäßig kleinen Teilnehmergruppe, lohnt aber den Aufwand. Doch auch zur Umgestaltung von Lehrveranstaltungen und zur Verbesserung der Lehrqualität und Lernbereitschaft konnte SoTL bereits behilflich sein. Für andere wiederum werden dadurch an erster Stelle grundlegende Fragen aufgeworfen, z. B. inwiefern SoTL die wissenschaftstheoretische Fachreflexion anstoßen kann und ob didaktische Innovationsberichte überhaupt als Forschungsergebnisse bezeichnet werden können.
Im Workshop „Evidenzbasierung in der Lehr- und Hochschulentwicklung“ stand unter anderem die Frage danach, was überhaupt unter Evidenzbasierung zu verstehen ist im Vordergrund. Dabei stellten die Dozentinnen unterschiedliche Arten von Evidenzen gegenüber und warfen so grundlegende begriffliche, methodologische und wissenschaftstheoretische Fragen bezüglich der oft diffus erhobenen Forderung nach Evidenzbasierung auf. Gilt der Diskurs über Lehrbeispiele eigentlich als evidenzbasiert? Gilt überhaupt jede Art von Daten als Evidenz oder sollte man darunter Befunde verstehen, die mit empirischen Methoden gefunden werden und dazu dienen sollen Hypothesen zu prüfen und Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen? Daten allein wären somit noch keine Evidenz. In einem sehr engagierten und überzeugenden Vortrag unterzogen die Dozentinnen einem allzu restriktiven Empirieverständnis einer grundlegenden Kritik. Viele Studien bleiben in der Durchführung hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück. Die Diskussion über ein adäquates Verständnis von Evidenzbasierung in der Hochschuldidaktik muss daher weitergeführt werden.
Im Impulsforum „Ansätze zu einer Methodologie des Beobachtens für die hochschuldidaktische Praxis“ wurden u. a. in einem sehr interessanten Beitrag die drei philosophischen bzw. kulturanthropologischen Ansätze der Phänomenologie, der Dichten Beschreibung und des Konstruktivismus aufgegriffen und deren Potential für die Hochschuldidaktik diskutiert. Dabei können derartige Konzepte zu einem Perspektivenwechsel in Situationen des Lehralltags führen. So schildern z. B. Lehrende ihre Erfahrung mit Studierenden immer wieder mit Zuschreibungen wie „wenig motiviert“, „konsumorientiert“, „hören nicht zu“ etc. Nun kann ein Konzept wie z.B. die Phänomenologie dazu verhelfen zunächst solche Urteile zu suspendieren und genauer hinzusehen, zu differenzieren, was an meinem Urteil ist tatsächlich Beobachtung, was Interpretation? Eine zumindest vorübergehende Urteilsenthaltung kann den Blick schärfen für ganz andere Interpretationsmöglichkeiten. Vielleicht haben die Studierenden mir zugehört, aber ich habe mich nicht deutlich genug ausgedrückt etc. So gebe ich dem Verhalten der Studierenden die Möglichkeit, sich ganz anders als in meiner Spontaninterpretation „zu zeigen“ und kann meine ursprüngliche Attribuierung ändern.
Prof. Dr. Dr. Oliver Reis befasste sich im Rahmen seiner Keynote mit der Frage „Welche Praxis brauchen Werte in der Hochschulbildung?“. Er geht davon aus, dass jedem Fach eine interne Wertelogik inhärent ist. Sobald von Professionalisierung die Rede ist, spiele auch Werteorientierung eine wichtige Rolle. Interessant ist dabei der Gedanke, dass Fachkulturen einen sog. Habitus ausbilden, eine Art „sozialer Grammatik“, an der sie wiedererkennbar sind. Nun kommen aber Studierende selbst mit einer eigenen Wertorientierung im Studium an, von dem die Passung zum fachlichen Habitus nicht einfach vorausgesetzt werden kann, zumal in Zeiten zunehmender Diversifizierung. Also wird es eine künftige Aufgabe von Lehre sein, eine dritte Form von Werten auszubilden, die ein gutes Miteinander im Lehr-Lernprozess gewährleisten. Der engagierte Vortrag zeigte die vielfache Verflechtung von Didaktik und Werthaltung, deren Zusammenfassung hinter dem ursprünglichen Gedanken zurückbleiben muss. Daher sei der Vortrag im Original empfohlen (s.u.)
Videoausschnitte und weitere Dokumentationen zu der Tagung sind übrigens unter https://www.th-koeln.de/hochschule/dghd17_48892.php zu finden.