Christian Doelker: Der Medien-Code.
Rezensentin:
Alessandra Kenner, FBZHL
Originalliteratur:
Christian Doelker: Der Medien-Code. hep verlag 2015, ISBN 3035503087, 128 Seiten, EUR 16,00.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 66. Erg.-Lfg. November 2016, S. 275f. www.personalwirtschaft.de/elearning
Was passiert, wenn die Schauspielerin Marilyn Monroe als Vertreterin von Film und Medien, die französische Impressionistin Berthe Morisot, der Begründer der Evolutionstheorie Charles Darwin, Comenius, seinerzeit Pädagoge und Theologe, sowie Platon als Vertreter der antiken griechischen Philosophie über die digitale Gesellschaft diskutieren? Es entsteht ein spannender und vor allem vielschichtiger Diskurs, der zum Nachdenken anregt!
Der Autor Christian Doelker, Jahrgang 1934, ist Professor für Medienpädagogik an der Universität Zürich und Kommunikationswissenschaftler. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Bildtheorie/Bildpädagogik, Medienwirklichkeit, Informationsphilosophie und Medienkritik. Darüber hinaus zieht sich das Thema Medienerziehung durch seine Vita. Aus der Motivation heraus, die Online-Situation des Menschen von einer Außenperspektive zu betrachten und kritisch zu beleuchten, ist die Idee des „Medien-Codes“ entstanden. Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Kulturgeschichte, von der Antike bis zur Neuzeit und ganz unterschiedlichem Hintergrund, gehen in vier fiktiven Radiosendungen einen medienphilosophischen Diskurs ein. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Gäste der Talkshow vom aktuellen Stand des Wissens, der Sprache, der Erfahrungen ausgehen – und ihnen so die neuen Medien bekannt sind.
Moderiert werden die vier Radiosendungen vom spanischen Kulturphilosophen José Ortega y Gasset, die wie folgt aufgebaut sind: Im ersten Teil werden die Gäste und ihr Hintergrund kurz vorgestellt und sie äußern sich in einem Eingangsvotum kurz zur heutigen Informationsgesellschaft. Teil zwei widmet sich dem Medien-Code. Die Expertinnen und Experten diskutieren mediale Darbietungsformen und schlagen dabei immer wieder Brücken zum eigenen Hintergrund. So bemängelt Marilyn Monroe, dass etwa mediale Produkte zwar inzwischen technisch perfektioniert seien, dies aber auf Kosten der inhaltlichen Qualität ginge. Comenius hätte sich hingegen für sein im 17. Jahrhundert entwickeltes Lehrbuch Orbis sensualium pictus über technische Neuerungen und einen somit einhergehenden didaktischen Mehrwert gefreut. Teil drei widmet sich der Informationsverarbeitung und der Media-Literacy, wo die Gäste die Lesefähigkeit, das Verstehen und Interpretieren von Medientexten diskutieren. Im vierten Teil der Radioshow werden die bis dahin behandelten Themen in größere Zusammenhänge gestellt und daraus Strategien für ein medienkompetentes Handeln abgeleitet. In einem abschließenden fünften Teil bietet der Autor in einem Exkurs weiterführende systematisch-theoretische Ausführungen, etwa zur Bildsemantik.
Doelker gibt an, dass sich sein Buch an ein an Medienfragen interessiertes Publikum, insbesondere aber an Lehrende und Lernende im Medien- und Bildungsbereich richtet. Diese allgemein interessierte Zielgruppe mit gutem Vorwissen wird sicher gut erreicht und angesprochen. Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Medien erhalten Lesende neue, überraschende, auch witzige Sichtweisen auf die digitale Gesellschaft (oder kam Ihnen schon einmal der Gedanke, dass sich heute jedes Wohnzimmer, jedes Büro durch den gebannten Blick eines Menschen auf den Flachbildschirm in eine platonische Höhle verwandelt?). Allerdings setzten die fiktiven Radiosendungen einiges an Vorwissen bei der Leserschaft voraus. Auch wenn die Gäste vorgestellt und in ihren historischen Kontext gesetzt werden – wer das Höhlengleichnis, Dantes Höllenkreise oder den Orbis sensualium pictus nicht kennt, wird viele Pointen nicht verstehen und der Aha-Effekt bleibt aus. Weiter darf der Medien-Code nicht als klassisches Lehrbuch, sondern vor allem als Ideenbuch verstanden werden. Nicht die Vermittlung von strukturiert aufbereitetem Faktenwissen steht im Vordergrund, sondern eine multiperspektivische Sichtweise auf die digitale Gesellschaft – die pädagogischen Professionals erhellende Perspektiven bieten kann.