Diversität und Neue Medien als didaktisches Prinzip

Kurzinfos_FBZHL_6-2014-ZFHE-2010-2-25
Aus der Reihe

Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-­Alexander Universität Erlangen-­Nürnberg.

Karoline Spelsberg, Folkwang Universität der Künste, Essen

Studienfach: allgemein

Quelle

Zeitschrift für Hochschulentwicklung (FZHE), Jg. 5 / Nr. 2 (Juni 2010), S. 25–46
http://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/7
Vgl. auch http://www.folkwang-uni.de/home/hochschule/international/international-office/internationale-studierende/interkulturelles-mentoring/

Problembeschreibung / Zieldefinition

Die zunehmende Diversität an Hochschulen verlangt nach neuen didaktischen Konzepten: Welche Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse bringen beispielsweise internationale Studierende mit und mit welchen didaktischen Maßnahmen lassen sie sich kultursensibel gezielt fördern, um Abbruchquoten zu verringern? Wie lässt sich die soziale Kompetenz aller Studierenden verbessern, um die Akzeptanz und den Umgang mit unterschiedlichen Pluralitäten zu fördern?
An der Folkwang Universität der Künste in Essen wurde für diese Herausforderung ein spezielles E-Learning-Modell entwickelt, das sich an internationale StudienanfängerInnen aller Fakultäten richtet und diese im Rahmen eines Mentoring-Programms bereits vor Studienbeginn Online auf den Aufenthalt in Deutschland vorbereitet.

Herangehensweise / Lösungsansatz

Im Folgenden werden Konzept und Einsatz des Mentoring-Programms an der Folkwang kurz beschrieben. Die Idee war, die Studierenden selbst mit ihrem kulturellen Hintergrund, ihren unterschiedlichen Vorkenntnissen, Lernstilen und Erwartungen in den Mittelpunkt zu rücken und ihnen einen Möglichkeitsraum anzubieten, der kultursensibel ausgestaltet ist. Es wurde besonders darauf geachtet, die Lerninhalte kompetenzorientiert zu gestalten und die Erfahrungswelt der internationalen Studierenden zu berücksichtigen.
Die erste Phase des Programms bildet ein 3-monatiges onlinebasiertes Qualifizierungsangebot für Studierende höherer Semester auf der hochschuleigenen E-Learning-Plattform. Das übergeordnete Lehr- und Lernziel des konzipierten Qualifizierungsangebots besteht darin, die Studierenden zu befähigen, E-Learning Elemente wie beispielsweise synchrone und asynchrone Kommunikationsformen (Chat, Foren) oder kooperative Elemente wie Wikis bei der Beratung und Betreuung der zukünftigen ErstsemesterInnen selbstständig und kultursensibel als E-JuniormentorInnen einzusetzen. Vor diesem Hintergrund soll der qualifizierte Umgang mit E-Learning-Elementen praxisnah in einem hybriden Lehr- und Lernarrangement erlernt und ausprobiert werden.
In der zweiten Phase betreuen die qualifizierten E-JuniormentorInnen die ErstsemesterInnen vor Studienbeginn in einem Online-Kurs. Die Inhalte sind „Deutsch als Fremdsprache“ und „Interkulturelle Sensibilisierung“ – die Studierenden sollen eine erste fachsprachliche und soziokulturelle Orientierung erhalten, für die neue, ihnen noch fremde Kultur sensibilisiert und zu selbsttätigem Lernen angeregt werden. Die E-JuniormentorInnen stellen in der Lernplattform erste Informationen zu Studium und Leben rund um Folkwang bereit, stehen für fachbereichsrelevante Fragen zur Verfügung und unterstützen eine erste Netzwerkbildung vor Studienbeginn. Online-DozentInnen gewährleisten die Qualität der fremdsprachlichen und interkulturellen Lehr- und Lerninhalte auf Hochschulniveau.
Nach der Ankunft in Deutschland geht das Mentoring-Programm in die dritte Phase: Die ausländischen Studierenden nehmen in Blended-Learning Szenarien (d. h. E-Learning- und Präsenzphasen werden miteinander kombiniert) weiter an Sprachkursen teil und lernen ihre JuniormentorInnen und DozentInnen facetoface kennen. Dies wird von einem interkulturellen Veranstaltungsprogramm begleitet. Ein kooperatives Lerntagebuch soll den Austausch fördern, die Reflexion mit den Lerninhalten anregen und Unterstützung bieten.
Ziel dieser dritten Phase ist, neben den fachlichen Inhalten das gegenseitige Kennenlernen der Studierenden zu ermöglichen und deren interkulturelle und Diversity-Kompetenzen zu fördern (auch „doing diversity“ genannt) sowie insgesamt und langfristig eine Veränderung der Lernkultur an der Folkwang zu erzielen.
Die Teilnahme seitens der StudienanfängerInnen ist freiwillig. Die aktive Betreuung durch die JuniormentorInnen wird mit zwei ECTS honoriert und im Diploma Supplement ausgewiesen.
Der Einsatz von E-Learning-Komponenten hat für eine heterogene Zielgruppe viele Vorteile, die hier nur kurz erwähnt werden sollen (zur genaueren Darstellung siehe Originaltext):
Sie bieten durch flexible Menüführung verschiedene Möglichkeiten, die Lerninhalte durchzuarbeiten. Sie ermöglichen individuell abgestimmte Lernprozesse und Problemlösestrategien, passend zu den kulturell geprägten unterschiedlichen Gewohnheiten (z. B. individualistischer vs. kollektivistischer Lernstil). Sie ermöglichen eine unterschiedliche zeitliche Strukturierung des Angebots für verschiedene, kulturell geprägte Zeitschemata. Nicht zuletzt bieten sie eine Vielfalt an Informations- und Kollaborationsmöglichkeiten.

Aufwand

Allein die Konzeption und Implementierung eines E-Learnings-Tools mit den o. g. Inhalten bedeutet sicher einen nicht zu unterschätzenden Aufwand, der wohlüberlegt sein sollte. Hinzu kommen die flankierenden Maßnahmen wie Präsenzveranstaltungen, Lerntagebuch, begleitendes Kulturprogramm usw., das nicht nur vorbereitet sondern auch intensiv betreut werden muss. Die personellen Kapazitäten bzw. erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen sollten vorher sorgfältig geplant werden.

Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels nahmen insgesamt 49 ausländische Studierende an dem Mentoring-Programm teil.

Empfehlungen

Natürlich erfordert die Durchführung eines E-Learning-Programms in solcher Dimension eine gewisse IT- und Medienkompetenz von Seiten der teilnehmenden Studierenden und der betreuenden Personen; dies muss vorab gewährleistet sein. Bei der Konzeption und Erstellung der E-Learning Umgebung kann die Unterstützung von Fachleuten hilfreich sein.

Verallgemeinerbarkeit

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat das Interkulturelle Mentoring-Programm der Folkwang Universität der Künste mit der Hochschulperle des Monats Februar 2012 ausgezeichnet. Die Jury des Stifterverbandes macht mit der Wahl zur Hochschulperle auf die zahlreichen Vorteile dieses innovativen Ansatzes für alle Beteiligten aufmerksam: Studentische MentorInnen machen erste didaktische Erfahrungen im E-Learning-Bereich, ebenso wie ihre Mentees erfahren sie eine Schulung ihrer interkulturellen und sozialen Kompetenzen, die Hochschule präsentiert sich weltoffen, Eingliederungs- und Orientierungsprobleme treten kaum mehr auf. Das Gesamtkonzept ist unabhängig von der Fachrichtung oder dem Hochschultyp und kann daher mühelos auf die Fachbereiche der FAU übertragen werden.