Martin Lorber & Thomas Schutz: Gaming für Studium und Beruf. Warum wir lernen wenn wir spielen.
Rezensentin: Ramona Rappe, FBZHL
Originalliteratur:
Martin Lorber & Thomas Schutz: Gaming für Studium und Beruf. Warum wir lernen wenn wir spielen. Bern, hep-Verlag 2016, ISBN 978-3-0355-0466-8, 160 Seiten, EUR 19,00.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 64. Erg.-Lfg. August 2016 www.personalwirtschaft.de/elearning
Mit dem sich vollziehenden Wandel der Lern-, Lebens- und Arbeitswelten geht auch ein Wandel der Anforderungen an Studierende, Absolventen und Mitarbeitende einher. Fachliche Expertise allein reicht dabei schon lange nicht mehr aus. Erwartet wird stattdessen vor allem eine Vielzahl sog. Teil- bzw. Schlüsselkompetenzen, deren Erwerb im Rahmen klassischer, universitärer Lehrveranstaltungsformate oftmals kaum leistbar ist. Wie sollte etwa ein Hochschulabsolvent dazu fähig sein, selbstständig Probleme zu erkennen und über deren Lösung entscheiden, wenn er im gesamten Verlauf seiner schulischen Laufbahn nicht an relevanten Entscheidungsprozessen, wie etwa der curricularen Gestaltung, beteiligt wurde?
Gaming ist seit Jahren keine Randerscheinung introvertierter Computergenies mehr, sondern avanciert – geschlechts-, generations- und statusübergreifend – zum Massenphänomen. Unsere digitalisierte Wissensgesellschaft verlangt nach Interaktion und Partizipation. Ein Bedürfnis, das die einstigen audiovisuellen Leitmedien Film und Fernsehen aufgrund ihrer inhärenten Logik des passiven Konsumenten nicht mehr stillen können und somit am medienhistorischen Wendepunkt den Weg für den Siegeszug der digitalen Medien ebneten. Grund genug, sich dem Thema Gaming verstärkt auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive anzunähern. Davon ausgehend werfen die beiden Autoren Martin Lorber, PR Director und Jugendschutzbeauftragter bei Electronic Arts, und Thomas Schutz, promovierter Mikro- und Molekularbiologe, die Frage danach auf, welche Kompetenzen Gamer quasi nebenbei durch die immer anspruchsvolleren Spielsettings erwerben können, die auch in hochschulischer und beruflicher Hinsicht zum Erfolg verhelfen könnten.
Kurz und knapp argumentieren Lorber und Schutz in 7 Kapiteln, auf rund 100 Seiten, dass passionierte Nutzer digitaler Spiele nicht selten eine ähnliche Trainingsroutine an den Tag legen, wie professionelle Musiker und Sportler. Ihr Appell: Dieses enorme Potential darf nicht weiter ungenutzt bleiben! Neben der „Wischkompetenz“, d.h. der verbesserten Fingerfertigkeit durch intensive Smartphone-Nutzung, profitiert der „Homo Zappiens“ demnach vor allem von der verstärkten Ausprägung der Entscheidungsfähigkeit. Interessanterweise die einzige der 64 analysierten Schlüsselkompetenzen, die in allen untersuchten Spiel(format)en nachweislich trainiert und verbessert werden konnte. Veranschaulicht werden die Ausführungen zusätzlich durch zahlreiche Beispiele von Studierenden der „Why we game“-Seminare, ein an der Hochschule München durchgeführtes Lehrveranstaltungsformat, in dem computerspielende Studierende die Möglichkeit bekommen, mithilfe wissenschaftlicher Instrumente die in ihrem Studiengang und ihrem jeweiligen Spielgenre geforderten Kompetenzen in Beziehung zu setzen und zu reflektieren.
Letztendlich ziehen die Autoren das Fazit, dass Gaming allein nicht der Schlüssel zum Erfolg sein kann. Wesentlich wichtiger sind und bleiben auch im digitalisierten Zeitalter die Einbettung in ein passendes didaktisches Konzept sowie ein Lehrender, der es versteht, die Lernenden, seien es Studierende oder Angestellte, von den Inhalten zu begeistern.
Das Buch trägt an erster Stelle zur Sensibilisierung für die oft unerkannte Expertise von Gamern bei. Darüber hinaus könnte es vor allem bei der Gestaltung von Personalauswahlverfahren und der Konzipierung von Personalentwicklungsmaßnahmen behilflich sein, um sich einerseits mit den Chancen digitalisierter Recruiting-Strategien vertraut zu machen und andererseits Möglichkeiten zu erkennen, inwiefern durch die Implementierung spielerischer Elemente Anreize zur Weiterbildung im Unternehmen geschaffen werden können.