Alexander Markowetz: Digitaler Burnout: Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist.

Rezensentin: Dirk Jahn, FBZHL
Originalliteratur:
Markowetz, Alexander: Digitaler Burnout: Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist. München (Droemer Knaur) 2015, ISBN 978-3426276709, 224 Seiten, EUR 19,99.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 65. Erg.-Lfg. Oktober 2016 www.personalwirtschaft.de/elearning


Der Informatik-Professor Alexander Markowetz hat gemeinsam mit seinem Team eine Monitoring-App entwickelt, mit der sich das Smartphone-Nutzungsverhalten dokumentieren lässt.[1] In der Menthal-Projekt-Studie konnte durch die App das Verhalten von über 60.000 Nutzern tiefgehend analysiert werden: Durchschnittlich schalteten die Nutzer das Display täglich jeweils 88 Mal ein. Einen Großteil der 2,5 Stunden durchschnittlicher Handynutzungszeit wird Social Media wie Facebook, WhatsApp oder Instagram gewidmet. Etwa eine halbe Stunde wird mit Online-Spielen zugebracht. Auf Apps, die den Alltag erleichtern sollen, wie z. B. Navigation oder Ticketkauf für öffentliche Verkehrsmittel, wird aber nur ein Bruchteil der Zeit verwendet. Intensivnutzer, häufig Jugendliche unter 18 Jahren, beschäftigen sich im Durchschnitt gar ganze 3 Stunden und 45 Minuten mit ihrem Handy. Das bedeutet: Alle 7 Minuten ein Blick aufs Display.
Ausgehend von diesen alarmierenden Ergebnissen hat Markowetz ein in der Presse viel beachtetes Buch geschrieben, das sich mit dem Phänomen der permanenten Smartphone-Nutzung auseinandersetzt. Er zeigt darin auch Lösungen für die erkannten Probleme auf, insbesondere auch auf einer pädagogisch-didaktischen Ebene. Das Buch ist somit auch für pädagogische Professionals von Interesse.
Nach der Darstellung der beschriebenen Studie stellt sich der Autor die Frage, wie es eigentlich zur Dauernutzung digitaler Medien kam und wie sich diese langfristig auf die Nutzer auswirken wird. Viele Antworten dazu findet er sowohl in aktuellen Studien als auch in Theorien der Kognitionspsychologie, der Gehirnforschung oder Verhaltenspsychologie. Die häufige Handynutzung belohne das Gehirn, sorge für den schnellen Dopaminkick und schleife so nach und nach unreflektierte Gewohnheiten ein, die dann wiederum im Suchtverhalten münden können, wie etwa bei einem exzessiven Automatenspieler oder beim Drogenkonsumenten. In psychologischer Fachsprache werden derartige Zusammenhänge als Random Reward Effekt oder Instant Gratifiction beschrieben. Die Nebenwirkungen: Ständige Unterbrechung, herabgesetzte Performanz, kein Flow-Erleben mehr, depressives Stimmung, kognitiver Overload bei sinkender Konzentrationsfähigkeit, fehlende Erholung und Achtsamkeit, Untergang des Müßiggangs, fragmentiertes Leben, totale Zerstreuung und Verstrickung im Multitasking. Was folgt, ist der digitale Burnout, den die moderne Arbeitswelt geradezu provoziert, z. B. durch die permanente Erreichbarkeit und den digitalen Präsentismus: Nur wer dauerhaft digitale Präsenz zeigt, belegt damit, wie wichtig er im Job ist und wie viel er leistet.
Das Buch endet aber nicht mit Hiobsbotschaften oder dem Aufruf zur Abschaffung der Smartphones. Markowetz machte sich konstruktiv auf die Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten, die Potentiale der digitalen Endgeräte zwar zu nutzen, ohne ihnen dabei aber völlig anheimzufallen. Das beginnt beispielsweise mit einem intelligenten Design der Gerätefunktionen (z. B. Selfmonitoringfeatures) und geht über kluge Nutzungsstrategien (z. B. Nudging) und Entspannungstechniken (Yoga) bis hin zu didaktischen Handlungsansätzen, um das Problem langfristig in den Griff zu bekommen. Die Rede ist dabei von digitalen Abwehrkräften; der Förderung der gesunden Arroganz (besser wäre der Begriff „Ignoranz“), Stärkung des Selbstbewusstseins, der Reflexionsfähigkeit, Förderung von Lernstrategien oder auch die Einführung einer Kommunikationskultur, in der Relevanz und Effizienz großgeschrieben werden (und nicht jedes Mitteilungsbedürfnis und Nervenzucken sofort zu einer Nachricht an alle führt).
Das populärwissenschaftliche Buch ist anschaulich, klug und unterhaltsam geschrieben, in einer bildhaften und prägnanten Sprache, die die Phänomene treffend beschreibt. Auf pädagogischer Ebene ist es erhellend, auch wenn man nicht mit allen Erklärungsansätzen und Interpretationen des Autors einverstanden sein muss. Zudem liefert es einige Impulse, wie Medienkompetenz konstruktiv in Betrieben und Bildungseinrichtungen gefördert werden sollte, um dem digitalen Burnout entgegenzuwirken. Auch wenn es einige Redundanzen und Wiederholungen gibt (für den digital ausgebrannten Leser, der sich nicht mehr konzentrieren kann?), hat Markowetz ein wichtiges und brisantes Buch vorgelegt, das aufrüttelt und zur kritischen Reflexion einlädt.
[1] Download unter https://menthal.org/