David Kergel & Birte Heidkamp: Forschendes Lernen mit digitalen Medien. Ein Lehrbuch.
Rezensent: Dirk Jahn, FBZHL
Originalliteratur:
Kergel, David; Heidkamp; Birte: Forschendes Lernen mit digitalen Medien. Ein Lehrbuch. Münster und New York (Waxmann) 2015, ISBN 978-3830933830, 212 Seiten, EUR 24,90.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 64. Erg.-Lfg. August 2016 www.personalwirtschaft.de/elearning
Lehrende klagen häufig über das Spannungsfeld zwischen Lehre und Forschung. Zu wenig Zeit für Forschung aufgrund der Lehrverpflichtungen heißt es oftmals. Warum nicht einfach die beiden Bereiche miteinander verbinden? Studierende lernen dann das Forschen über eine eigene Forschungstätigkeit, so der Gedanke, der schon zu innovativen Lehr- und Lernformen geführt hat. Den digitalen Medien kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Forschung und Lehre laufen heute kaum mehr ohne die Anwendung digitaler Medien ab. Wie aber forschendes Lernen mit digitalen Medien konkret gestalten?
David Kergel und Birte Heidkamp, Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pädagogik an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg, haben ein umfassendes Lehrbuch zu dieser Frage vorgelegt. Das Buch richtet sich vor allem an Lehrende in der Hochschule, wobei es generell für alle interessant ist, die sich mit digitalen Lehr-Lernszenarien des forschenden Lernens beschäftigen.
Einführend leisten die Autoren eine begriffliche Schärfung und Fundierung. Was ist eigentlich forschendes Lernen, was unterscheidet es vom forschungsbasierten oder forschungsorientierten Lernen und wie lässt es sich in einem didaktischen Modell fassen? Schnell wird deutlich, dass das forschende Lernen mit einem modernen, konstruktivistischen und anspruchsvollen Verständnis von Lehren und Lernen im Einklang steht. Lernende durchlaufen hierbei im besten Fall den ganzen Forschungszyklus: Vom Finden einer eigenen Forschungsfrage über die Konstruktion eines stimmigen Forschungsdesigns bis hin zur Datenerhebung, Datenauswertung, Interpretation und der eigenen Publikation. Die Lehrenden bieten individuelle Unterstützung im Sinne eines Lernbegleiters an. Das zur Systematisierung angebotene didaktische Rahmenmodell beschreibt abschließend verschiedene abgestufte Szenarien des Forschenden Lernens in den jeweiligen Phasen. Im folgenden Kapitel werden die digitalen Medien als Werkzeuge genauer unter die Lupe genommen: Die Digitalisierung der Wissenschaft, e-science, mit all ihren Werkzeugen und Tools ist Anknüpfungspunkt für didaktische Überlegungen. Deutlich wird, dass vor allem Web 2.0- und E-Learning 2.0-Anwendungen einen echten Mehrwert in forschenden Lehr- und Lernszenarien bieten können, z. B. durch Augmented Reality, Mobile Learning, Blogs und E-Portfolios. Außerdem wird deutlich, dass diese neuen Technologien hochgradig mit den geforderten innovativen Lehr-Lernformen der kollaborativen Wissenskonstruktion vereinbar sind. Diese und weitere Überlegungen zu den digitalen Medien werden dann in das genannte Rahmenmodell integriert. Im anschließenden Kapitel wird die Qualität beim forschenden Lernen referiert und Design-Based-Reserach (DBR) als geeigneter Ansatz vorgestellt, um sie zu evaluieren. Anschließend wird die Praxis Forschenden Lernens mit digitalen Medien anhand von vier beispielhaften, konkreten Szenarien aus den Bildungswissenschaften dargestellt, die im Sinne von DBR auch evaluiert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die gewährte Freiheit und Offenheit, die Art und Weise der Betreuung und der gezielte Medieneinsatz (z. B. durch Blogs oder Application-Sharing) zu einer hohen intrinsischen Motivation und einem hohen Lernerfolg bei den Studierenden beitragen können.
Das vielschichtige und gründliche Buch gibt weitreichenden und differenzierten Aufschluss darüber, was forschendes Lernen ist, wie es mit digitalen Medien gestaltet werden kann und wie es evaluiert werden sollte. Theoretisch geht es dabei mitunter anspruchsvoll zu, dafür aber auch erkenntnisreich. Für praktisch geneigte Leser und Leserinnen bietet das Buch viele wichtige Impulse und die nötige Denkhaltung, forschendes Lernen zu antizipieren und umzusetzen. Natürlich lassen sich wie bei jedem Buch auch einige Schwachstellen benennen. Die Argumentationslinien, mit denen eine bestimmte Art der Erkenntnistheorie und Forschung mit einer konstruktivistischen Didaktik und den digitalen Medien zusammengeführt werden sollen, wirken an der einen oder anderen Stelle etwas angestrengt und konstruiert. Zudem werden manche Aspekte, wie etwa das Assessment beim forschenden Lernen oder Widersprüche zwischen Forschen und Lernen, nicht immer konsequent genug zu Ende gedacht. Gleichwohl: Ein wichtiges und grundlegendes Buch, das hoffentlich Anklang bei Lehrenden finden wird.