Smart Teaching – Better Learning! – Tagungsbericht

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Am 29.10.2015 fand die 4. Lehr-/Lernkonferenz im Rahmen des Programms “Fellowships für Innovationen in der Hochschullehre“ der Baden-Württemberg Stiftung und des Stifterverbandes zum Thema „Smart Teaching – Better Learning! Digitales Lehren und Lernen an Hochschulen!“ in Berlin statt. Als Veranstaltungsort diente das Umweltforum Auferstehungskirche, eine wirklich beeindruckende Location in einer über 100 Jahre alten Kirche mit umlaufender Galerie und 17 Meter hohen Wänden. Das Thema Digitalisierung manifestierte sich bereits in der Gestaltung des Raumes mit zwei seitlich positionierten Projektionsleinwänden. Eine fungierte als Unterstützung der Präsentation der Referierenden, die andere als Twitterwall, sodass alle mit dem Hashtag #LLKo15 versehenen Tweets live vom Publikum mitgelesen werden konnten. Klar, das ist modern und digital, aber ich persönlich empfand es eher als Ablenkung vom eigentlichen Geschehen auf der Bühne.
Dem offiziellen Tagungsprogramm war zuerst eine Pre-Conference zum Thema „Wie das Neue in die Hochschullehre kommt“ vorangestellt, bei der Projektmitarbeiter der Universität Bielefeld ausgewählte Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Fellowship-Programm präsentierten. Dabei wurden unter anderem die mithilfe von triangulativen Analysen gewonnenen Erkenntnisse zu Beweggründen, Auslösern und Auswirkungen von Lernerfolg und Kompetenzerwerb der Studierenden und die Beziehung der beteiligten Akteure zueinander thematisiert.
Die Moderation übernahm der Berliner Journalist für Bildung und Wissenschaft Jan-Martin Wiarda, der die rund 200 Teilnehmer mit viel Witz und Charme durch den Tag begleitete und großes Geschick darin bewies Referenten und Vortragenden, die in der ein oder anderen Situation vielleicht lieber weniger konkret und direkt antworten wollten, auf den Zahn zu fühlen. Gemeinsam mit Bettina Jorzik und Ulrike Vogelmann eröffnete er außerdem die Konferenz, wobei das Trio auf klassische Grußworte verzichtete und stattdessen ein Panelgespräch durchführte. Im Zentrum stand dabei beispielsweise die Frage danach, wann Teaching als smart gelten kann und welche Rolle die Digitalisierung dabei eigentlich spielt.
Anschließend berichtete in der Keynote Prof. Dr. Maja Pivec im Zuge ihres Vortrags „Smart Teaching – Better Learning! How Games and MOOCS Add Value to the Learning Experience” über ihre Erfahrungen mit Game Based Learning in Lehrveranstaltungen und veranschaulichte die sich mit der fortschreitenden Digitalisierung neu eröffneten Möglichkeiten zur Gestaltung von Lehr- und Lernkontexten u.a. anhand „The Great Green Hipster Hotel“ – einer App, die Studierenden für Themen wie Ressourcen- und Energieeffizienz sensibilisiert und auf diese Weise spielerisch Grundlagen des Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement vermittelt.
Im darauffolgenden – nicht ganz ernstgemeinten – Streitgespräch standen sich Prof. Dr. Tobias Raupach und Prof. Dr. Thomas Friedrich gegenüber. Im Zentrum der Pro-Contra-Situation stand die vorgegebene These „Digitale Lehr-/Lernformate gefährden die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“, die mithilfe einer nur wenigen Minuten umfassenden Argumentation der erstgenannte Professor verteidigen und der zweitgenannte Professor widerlegen sollte. Wer dabei überzeugender um die Gunst des Plenums buhlte, wurde danach anhand elektronischer Abstimmungssysteme erfasst. Keine leichte Aufgabe vor einem mehrheitlich digitalisierungsaffinen Publikum! Dieses Stimmungsbild zeigte sich wie erwartet auch nach der ersten Abstimmungsrunde im Vorfeld des Streitgesprächs: 23% Zustimmung vs. 77% Ablehnung. Im Verlauf des Argumentationsaustauschs konnte Professor Raupach auf dieser unterlegenen Position zwar das Ergebnis nicht drehen, aber dennoch mit seiner Argumentationsstrategie punkten. Da er seinen Vortrag einen Tick souveräner und humorvoller darbot, konnte er im Nachhinein 7% mehr Zuspruch verzeichnen, als noch kurze Zeit zuvor.
In den Workshops wurde unter anderem die Vorarbeit für die spätere Podiumsdiskussion geleistet. In den Kleingruppen wurden zuerst Forschungsprojekte und angewandte digitale Lehrmethoden mithilfe von PowerPoint Präsentationen vorgestellt und diskutiert, im Anschluss daran sollten maximal zwei dem Konsens der Gruppe entsprechende Thesen formuliert und schriftlich fixiert werden. Über Zustimmung und Ablehnung dieser erarbeiteten – teilweise durchaus auch kontroversen – Thesen sollte dann im Rahmen der Podiumsdiskussion „Smart Teaching – Better Learning! Wie digital soll die Hochschulbildung sein?!“ erneut mithilfe von Clickern abgestimmt werden.
Die somit generierten Abstimmungsergebnisse boten dann die Argumentationsgrundlage für die Referenten der Podiumsdiskussion, die sich nicht nur um die Glorifizierung digitaler Lehr-/Lernmethoden drehte, sondern auch kritische Aspekte beleuchtete. Dabei stand beispielsweise die Frage im Fokus, ob und inwiefern Bring Your Own Device zur Verschärfung sozialer Ungleichheit beitragen kann, welche Rolle Konkurrenzdenken zwischen Wissenschaftlern bei der Popularität von Good Practice Videos auf YouTube spielen könnte und warum Lehrende sich überhaupt um gute Ehre bemühen sollten (Stichwort: „Mehr Ehre für die Lehre“). Vor allem der Input des Diskussionsteilnehmers Matthias Kostrzewa, Student und gleichzeitig Mitarbeiter der Stabsstelle E-Learning an der Ruhr-Universität Bochum, leistete einen großen Beitrag dazu, ein realistisches Abbild der aktuellen Situation in vielen Lehrveranstaltungen darzustellen (sinngemäß: „Für viele Dozierende gilt das Hochladen von pdf-Dokumenten auf eine Online-Plattform bereits als E-Learning.“) und auf das vielerorts noch ungenutzte Potential der digitalen Möglichkeiten aufmerksam zu machen.
Den Abschluss des Abends bildete schließlich die feierliche Zeremonie zur Verleihung des Ars legendi-Preises 2015 bei der Prof. Dr. Jürgen Handke vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Philipps-Universität Marburg für sein 20-jähriges Engagement zur Etablierung digitaler Lehrmedien geehrt wurde. Beim Ars legendi Preis für exzellente Hochschullehre handelt es sich um den einzigen Lehrpreis, der sowohl bundesweit, als auch fächerübergreifend verliehen wird. Der Fokus lag dieses Jahr auf herausragenden und innovativen Leistungen im Bereich des Digitalen Lehrens und Lernens.
Fazit: Anfangs zeichnete sich die Veranstaltung vor allem durch Meinungshomogenität und den ungebrochenen Optimismus der Referenten hinsichtlich möglicher Zukunftsszenarien aus, die mit der fortschreitenden Nutzung digitaler Lehr-/Lernformate einhergeht. Erst durch die Abstimmung über die in den Workshops ausgearbeiteten Thesen und die daran anknüpfende Podiumsdiskussion wurden schließlich mögliche Negativaspekte und Kritikpunkte zur Sprache gebracht.