Teambasiertes Lernen in der Medizinethik
Kurzinfos_ZiLL_2015-29_teambasiertes Lernen
Autoren: Eun-Kyung Chung, Jung-Ae Rhee, Young-Hong Baik, Oh-Sun A, Chonnam National University, Korea
Aus der Reihe: Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Quelle
Chung, E., Rhee, J., Baik, Y., & Oh-Sun, A. (2009). The effect of team-based learning in medical ethics education. Medical Teacher, 31, 1013-1017.
Problembeschreibung / Zieldefinition
Wie kann die Lernmotivation und der Lernerfolg von Studierenden in vermeintlich wenig relevanten Fächern wie beispielsweise der Medizinethik erhöht werden? Nicht selten wird von Dozierenden beklagt, dass die Studierenden wenig motiviert seien und es zudem an effektiven Lehrmethoden mangelt.
Um Studierende zu motivieren werden häufig kooperative, teambasierte Arbeitsformen vorgeschlagen. Diese sind jedoch in der Durchführung oft zeitintensiv und verlangen größere personelle Ressourcen. In dieser Kurzinformation wird daher das teambasierte Lernen (TBL) vorgestellt. Es soll die positiven Effekte des Gruppenlernens mit den Rahmenbedingungen lehrendenzentrierter Lehre verbinden und kann zugleich so implementiert werden, dass es vom Zeitaufwand her für die Lehrenden zu bewältigen ist.
Herangehensweise / Lösungsansatz
Die Vorgehensweise, wie teambasiertes Lernen in Präsenzveranstaltungen in der Medizinethik umgesetzt wurde, gliedert sich in mehrere Schritte (Abb. 1). Im vorliegenden Beispiel bestand die Lehreinheit aus vier zweistündigen Sitzungen. In der ersten Sitzung wurde zunächst die Vorgehensweise des teambasierten Lernens vorgestellt, es wurde das Lehrmaterial ausgegeben und es wurden Gruppen von 6 bis 7 Studierenden gebildet, in die die Studierenden zufällig eingeteilt wurden. Die verbleibenden drei Sitzungen wurden für die eigentlichen Lernaktivitäten verwendet. Zwei oder drei Tage vor der ersten Sitzung wurden den Studierenden die Lernziele mitgeteilt und sie wurden aufgefordert, sich mit dem Lehrmaterial vorzubereiten. Jede dieser Sitzungen gliedert sich in eine Einzel- und zwei Gruppenphasen.
In der Einzelphase bearbeiten die Studierenden zunächst einen zehnminütigen Test (Individual Readiness Assurance Test, IRAT) mit fünf kurzen Textabschnitten und jeweils zugehörigen Multiple-Choice-Fragen zu grundlegenden Inhalten der Lehreinheit, dessen Antworten zur späteren Bewertung eingesammelt werden. Anschließend bearbeiten in der Gruppenphase I Teams aus sechs oder sieben Studierenden die Fragen aus der IRAT-Phase noch einmal zusammen, wobei sich die Studierenden auf eine Antwort einigen müssen (Group Readiness Assurance Test, GRAT). Dafür hat jede Gruppe 20 Minuten Zeit. Nach der Bearbeitung werden die Antworten aller Gruppen im Plenum verglichen und diskutiert. Diese Diskussionsphase dauert etwa 20 Minuten. Im Folgenden ist ein Beispiel für einen Textabschnitt mit zugehöriger Frage angeführt.
„Eine 90-jährige Patientin in einem Altenheim leidet seit 2 Monaten an fortgeschrittener vaskulärer Demenz und schwerer Dysphasie. Auch hat sie insgesamt 9 kg an Gewicht verloren, weshalb sich ihre fünf Kinder uneinig darüber sind, ob sie ihre Mutter künstlich ernähren lassen sollen. Die Patientin zeigt keinen Willen zum Weiterleben und ihr ältester Sohn sucht den behandelnden Arzt auf und sagt: „Sie sollten einfach selbst entscheiden, was für sie das Beste ist und den anderen dann mitteilen, dass das der richtige Weg ist!“ Angenommen, der Arzt würde in dieser Weise verfahren, welcher der folgenden Fachausdrücke würde dann das Vorgehen des Arztes am besten beschreiben?
- Paternalismus
- Die Wahrung der Fairness bei der Verwendung von Ressourcen
- Der Schutz der Patientenautonomie
- Aufteilung der Ressourcen im Gesundheitssystem
- Die Wahrheit sagen
Sobald die Lehrperson den Eindruck hat, dass die Studierenden die Kernkonzepte verstanden haben, werden in den gleichen Gruppen zwei konkrete Fallbeispiele (Gruppenphase II) bearbeitet, die vom Anspruch her höher angesiedelt sind als die Fragen in der vorhergehenden Phase. Hier können die Studierenden ihr Wissen auf ein angewandtes Problem übertragen. Für die Diskussion der Fallbeispiele hat jede Gruppe 30 min Zeit. Die Auswertung der Diskussionen in den Gruppen erfolgt genauso wie im Anschluss an die Gruppenphase I.
Abbildung 1: Ablauf des teambasierten Lernens
Aufwand
Da beim teambasierten Lernen die Gruppenarbeitsphase in eine lehrerzentrierte Instruktionseinheit integriert ist, führt die Gruppenarbeit nicht zu personalem oder finanziellem Mehraufwand und lässt sich so leicht in bestehende Strukturen integrieren. Wurde bisher nicht mit Fallbeispielen und Multiple-Choice-Aufgaben gearbeitet, entsteht vor allem Aufwand für deren Entwicklung als Grundlage für das Lernen im Team.
Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate
Um zu zeigen, welchen Einfluss die Gruppenarbeitsphase auf das Verständnis der Studierenden hatte, wurden die Ergebnisse der individuellen (IRAT-)Testphase zu Beginn der Lerneinheit mit denen der gruppenbasierten (GRAT-)Testphase verglichen. Gleiches gilt für die Ergebnisse der IRAT-Testphase und die Ergebnisse von Abschlussklausuren derselben Teilnehmer. Ferner wurden die 160 teilnehmenden Studierenden, die im ersten Studienjahr Medizin studierten, zu ihrer Einschätzung der Effekte teambasierten Lernens auf ihren Lernerfolg befragt.
Den Studierenden zufolge fördert das teambasierte Lernen den Lernerfolg. Außerdem regt es sie zu langanhaltendem eigenen Lernen an und verbessert ihre kommunikativen Fähigkeiten und Problemlösekompetenz. Die Ergebnisse der GRAT-Tests fielen positiver aus als die der individuellen IRAT-Tests, was dafür spricht, dass die Arbeit in Kleingruppen einen positiven Einfluss auf das Lösen von Problemen hat. Die Studie zeigte zudem, dass besonders leistungsschwächere Studierende von TBL profitierten, da sie bei den Abschlussarbeiten, die auf Phasen teambasierten Lernens folgten, bessere Ergebnisse erzielten als bei Abschlussarbeiten in Kursen mit traditionellen Lehr-/Lernformen.
Empfehlungen
Wir empfehlen, lehrendenzentrierte Veranstaltungsformen wenn möglich mit teambasiertem Lernen zu ergänzen, um die Studierenden zu einer aktiveren Auseinandersetzung mit den Inhalten der Veranstaltung anzuregen. Die hier vorgestellte Methode ist nach Einschätzung der Autoren auch für große Gruppen geeignet (im vorliegenden Beispiel 160 Studierende).
Verallgemeinerbarkeit
Die hier dargestellte Methode des teambasierten Lernens wurde in der Medizinethik entwickelt, ist aber auch auf andere Fachbereiche übertragbar. Notwendige Bedingung dafür ist allerdings, dass gut entwickelte Fallbeispiele und Multiple Choice-Aufgaben vorliegen oder erstellt werden, mit denen gearbeitet werden kann.