Der Einsatz von Lernportfolios in der Hochschullehre
Kurzinfos_ZiLL_13-2014_Lernportfolio rev
Val Klenowski, Sue Askew & Eileen Carnell
Aus der Reihe
Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Quelle
Klenowski, V., Askew, S., & Carnell, E. (2006). Portfolios for learning, assessment and professional development in higher education. Assessment and Evaluation in Higher Education, 31(3), 267-286.
Problembeschreibung / Zieldefinition
Für Studierende, die bei ihrer zukünftigen Berufstätigkeit lehrend tätig sein werden, ist die Reflexion eigener Lernprozesse von zentraler Bedeutung, da das tiefergehende Verständnis eigener Lernprozesse hilfreich dabei ist, die Lernprozesse anderer effektiv zu fördern. Für Studierende in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen ist die reflexive Kompetenz damit Teil ihrer professionellen Kompetenz. Um die Studierenden bei der Selbstreflexion ihrer Lernprozesse zu unterstützen, können Portfolios eingesetzt werden. In der vorliegenden Fallstudie wird dargestellt, wie die Arbeit mit Lernportfolios genutzt werden kann, um die reflexive Kompetenz und damit die Kompetenz zum professionellen Handeln von Masterstudierenden zu fördern.
Herangehensweise / Lösungsansatz
Das Lernportfolio wurde im vorliegenden Fallbeispiel in einem Modul zum Thema „Assessment for Learning“ eingesetzt. Die Studierenden erhielten eine Einführung in die Arbeit mit dem Lernportfolio, in der verdeutlicht wurde, dass das Portfolio Lernaufgaben enthält sowie Raum dafür, um Gedanken über das eigene Lernen und dessen Erfassung festzuhalten. Um eine Selbstreflexion der Studierenden im Hinblick auf den Lernprozess zu fördern, wurden sie allgemein dazu ermuntert, kritische Analysen ihres wissenschaftlichen Lesens und ihrer Arbeitsplanung, Arbeitsversionen von schriftlichen Aufgaben, Evaluationen des eigenen Lernens sowie Reflexionen über das Gelesene und kritische Revisionen anzufertigen und im Portfolio zu sammeln. Das Portfolio legen die Studierenden in einem Ordner für sich persönlich an und vervollständigen es während des gesamten Semesters parallel zur Lehrveranstaltung. In das Portfolio haben nur die Studierenden selbst und die Lehrenden am Ende des Semesters zur Bewertung des Portfolios Einblick. Dennoch ist es eine wichtige Basis für den Austausch mit den anderen Studierenden über die eigenen Lernprozesse.
Um die Studierenden im Rahmen der Portfolioarbeit zum Lesen und Schreiben anzuregen, wurde ihnen jede Woche eine spezifische Aufgabe vorgegeben, die teilweise im Dialog zu lösen war oder das Beantworten kritischer Fragen erforderte. Beispiele für die verwendeten Aufgabenstellungen zur Reflexion könnten folgendermaßen aussehen (vgl. Reich, 2003, http://www.methodenpool.uni-koeln.de/download/portfolio.pdf, S. 17):
- Warum ist mir die Bearbeitung der vorliegenden Aufgabe gut gelungen?
- Wie habe ich die Aufgabe bearbeitet und durchgeführt?
- Was zeigt das Ergebnis von mir und meiner Arbeit?
- An welcher Stelle sehe ich noch Lernmöglichkeiten?
- Was würde ich beim nächsten Mal anders machen?
- Auf welche Bereiche kann ich das Gelernte übertragen?
- Wie beziehen sich meine neuen Erkenntnisse auf bisher Gelerntes?
Die Abbildung verdeutlicht, dass die Reflexion über den Lernprozess neben dem eigentlichen Lernen (innerer Zyklus) einen weiteren Lernzyklus auf der sogenannten Metaebene beinhaltet (äußerer Zyklus).
Bei der Arbeit mit Lernportfolios sind folgende zwei Aspekte besonders wichtig: Zum einen muss das Ziel der Portfolioarbeit vorher kommuniziert werden, da es verschiedene Formen und Anwendungsbereiche für Portfolios gibt und sich die Vorerwartungen der Studierenden nicht unbedingt mit den Zielen des Dozierenden decken. Deshalb ist es notwendig, dass der Dozierende seine Erwartungen bei der Portfolioarbeit klar expliziert.
Zum anderen sollte die Rolle des/der Dozierenden in der Portfolioarbeit die Rolle eines Vermittlers und Anleiters sein, der mit den Studierenden in einen Dialog über das Lernen tritt. Dabei ist eine konstruktive und vertrauensvolle Haltung sowohl bei den Dozierenden als auch bei den Studierenden notwendig.
Aufwand
Der Einsatz von Lernportfolios in der Hochschullehre muss in die Lehrveranstaltung integriert werden: Zum einen muss die Portfolioarbeit in der ersten Sitzung der Lehrveranstaltung explizit eingeführt werden. Zum anderen müssen wöchentliche Aufgaben vorbereitet werden, die die Reflexion der Studierenden unterstützen. Der Aufwand dafür ist jedoch insgesamt überschaubar.
Außerdem muss das Portfolio am Ende des Semesters vom Lehrenden bewertet werden. Dabei können die Studierenden insbesondere dann profitieren, wenn sie vom Lehrenden individuelles Feedback im Rahmen eines persönlichen Gesprächs bekommen. Somit fällt für den Lehrenden am Ende des Semesters zusätzlicher Zeitaufwand an, der in Abhängigkeit der Größe der Lehrveranstaltung variiert.
Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate
Im vorliegenden Fallbeispiel wurden die Erfahrungen von 17 Masterstudierenden mit der Portfolioarbeit erfasst. Hierzu wurde auf Fragebögen und Selbsteinschätzungen ihres Lernfortschritts zurückgegriffen, ergänzend wurden Interviews geführt.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Einsatz eines Lernportfolios einerseits von den Studierenden als unterstützend für den eigenen Lernprozess erlebt wurde und andererseits die Reflexion über den eigenen Lernprozess anregte. Außerdem verbesserte das Anfertigen des Portfolios die Voraussetzungen dafür, dass die Studierenden Stellungnahmen und Positionen gegenüber bestimmten Themen in die Veranstaltung einbringen konnten. Dies spricht dafür, dass die reflexive Kompetenz der Studierenden gefördert wurde. So konnte durch den Einsatz eines Lernportfolios im Rahmen des Moduls „Assessment for Learning“ ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der professionellen Kompetenz der Studierenden geleistet werden.
Empfehlungen
Wir empfehlen den Einsatz von Lernportfolios besonders in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen und sehen die Stärke dieser didaktischen Methode in der Förderung der reflexiven Kompetenz. Der Fokus der Portfolioarbeit sollte darauf liegen, wie gelernt wird, d.h. der Fokus sollte auf den Lernprozess selbst gerichtet sein.
Verallgemeinerbarkeit
Da Portfolioarbeit mit einer höheren Autonomie der Studierenden in Bezug auf die Gestaltung des Lernprozesses einhergeht, verspricht die Portfolioarbeit Gewinn für Studierende aller Fachbereiche. Sie ist jedoch insbesondere für solche Studierenden nützlich, die im späteren Berufsleben eine lehrende Aufgabe einnehmen werden. Denn für diese Studierenden ist die Portfolioarbeit nicht nur in Bezug auf ihre eigenen Lernprozesse eine Bereicherung, sondern auch im Hinblick auf die im späteren Berufsleben zu fördernden Lernprozesse anderer.