eLearning-Elemente in Vorlesungen. Erstellung eines gemeinsamen Lexikons unter Nutzung von Informationstechnologien
Solveig Chilla, Universität Erfurt
Aus der Reihe
Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Quelle
Chilla, S. (2012). eLearning-Elemente in der Hochschullehre: Erstellung eines Wiki „Sprech-, Sprach- und Kommunikationsstörungen“ im Rahmen einer Vorlesung an der Universität Erfurt. In: I. van den Berk & M. Merkt: ZHW Almanach, Einzelbeitrag Nr.: 2012-4 www.zhw.uni-hamburg/almanach
Problembeschreibung / Zieldefinition
In den traditionellen universitären Lehrformen, wie der Vorlesung, mangelt es oft an Beteiligung und Interaktionsmöglichkeiten der Studierenden. Außerdem sind gerade Vorlesungen eher darauf ausgelegt, einen Überblick zu geben, als auf die Förderung einer vertiefenden Auseinandersetzung mit den vorgestellten Themen. Dadurch wird nicht nur der Erwerb theoretischen Wissens behindert, sondern vor allem auch die Aneignung von Handlungskompetenzen, die aber gerade in den erziehungswissenschaftlichen Fächern eine grundlegende Rolle spielen.
Hier setzt die kooperative Didaktik an, in der durch die Förderung fachbezogener Kooperation und Kommunikation unter den Studierenden und mit den Lehrenden, die Medien- und Handlungskompetenz der Studierenden gefördert werden soll. Dazu werden Vorlesungen um eLearning-basierte, interaktive und vertiefende Lernmöglichkeiten erweitert. Hierzu gehören auch (und gerade) Wikis, also Webseiten, deren Inhalte nicht nur gelesen werden können, sondern deren Inhalte auch von den Lesern selbst verändert werden können. Durch sie wird es den Studierenden erleichtert, Texte gemeinsam zu erstellen und zu bearbeiten. Zugleich fördern sie die vertiefe Beschäftigung mit deren Inhalten.
Das hier vorgestellte Praxisbeispiel zu Wikis in der Hochschullehre stammt von der Universität Erfurt. Dort wurde eine einführende Vorlesung mit der gemeinsamen Erstellung eines Wiki-basierten Lexikons zum Thema der Vorlesung durch die Studierenden kombiniert.
Herangehensweise / Lösungsansatz
An der Universität Erfurt wird verpflichtend für alle Lehrende metacoon, eine Plattform für projektorientiertes Lernen zur Arbeit mit virtuellen Lernräumen, genutzt (www.uni-erfurt.de/e-Learning/lernplattform/). Von den Administratoren können die Lernräume jeweils individuell mit anpassbaren Team-, Verwaltungs-, Dokumentenverwaltungs- und Kommunikationsfunktionen gestaltet werden.
Da die Veranstaltung als blended learning Szenario konzipiert war, nahm der Präsenzteil in der Vorlesung weitaus mehr Zeit in Anspruch als der virtuelle Teil. Um die Leistungsanforderungen des virtuellen Teils der Veranstaltung zu erfüllen, sollte jeder Studierende einen Lexikonbeitrag für einen selbst gewählten Begriff erstellen und mindestens zwei andere Einträge kommentieren; dafür waren insgesamt ca. fünf Zeitstunden notwendig. Die möglichen Begriffe für die Lexikonbeiträge waren in einer Liste auf der Online-Plattform abgelegt.
Der Lexikonbeitrag sollte jeweils eine Seite DIN A4 umfassen, eine Definition (z.B.: Was ist die deutsche Gebärdensprache (DGS)?) sowie eine kurze Erläuterung des Begriffs (Wer nutzt die DGS? Welches System wird benutzt? Geschichte der DGS, Abgrenzung zu anderen Gebärdensprachen…) enthalten, Bilder und weiterführende Links im Internet und drei Literaturhinweise (davon eine internationale Quelle) enthalten. Anhand der Kommentare konnte jeder Autor seinen eigenen Text überarbeiten und ggf. verbessern. Auch verschiedene Ansichten zu einem Thema waren möglich und blieben nebeneinander stehen. Von der Dozentin wurden in dem hier vorgestellten Beispiel vorab einige Begriffe als Beispiele erstellt, an dem sich die Studierenden orientieren konnten.
Zur Erhöhung der Teilnahmemotivation wurde die Beteiligung an der Erstellung des Lexikons bewertet (Gutschrift von 40 Punkten für die Klausur). Allerdings wurden nicht die Inhalte, sondern nur die Teilnahme selbst bewertet. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Inhalte der Lexikonbeiträge klausurrelevant sind. Um weitere Hemmungen bei der Bearbeitung des gemeinsamen Lexikons abzubauen, wurden alle Beiträge anonym verfasst.
Aufwand
Die finanzielle Hürde zum Einsatz von Wikis ist im Rahmen der üblichen universitären Infrastruktur in der Regel gering. Allerdings kann es anfänglich zu technischen Schwierigkeiten bei der Administration und Bearbeitung des Wikis kommen, die unter Umständen den Zeitaufwand seitens der Lehrenden erhöhen. Die Möglichkeit zur Kommunikation mit technisch versierten und regelmäßig verfügbaren Ansprechpartnern für die Plattform sollte daher unbedingt bestehen.
Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate
Die Evaluation erfolgte im vorliegenden Beispiel während des Semesters und als schriftliche Lehrveranstaltungsevaluation am Ende des Semesters. Während des Semesters zeigte sich anhand von Beobachtungen des Dozierenden, dass gerade ältere Studierende zu Beginn große Schwierigkeiten und Hemmungen hatten, den Computer intensiv zum Lernen zu nutzen. Sie hatten vor allem Probleme damit, einerseits selbst Verantwortung für den Lernstoff zu übernehmen und andererseits darauf zu vertrauen, dass sie und ihre KommilitonInnen in der Lage sind, die geforderten Aufgaben „richtig“ und gut zu bearbeiten. Diesen Aspekt sollten Lehrende beim Einsatz von Wikis berücksichtigen und ältere Studierende ggf. gezielt bei der Erstellung des Wikis unterstützen und begleiten.
Bei der abschließenden schriftlichen Lehrveranstaltungsevaluation wurden der Einsatz der Onlineplattform und die Erstellung eines gemeinsamen Lexikons von den Studierenden als gelungen bewertet. Die durchwegs guten Klausurergebnisse scheinen dies zu bestätigen. Eine Überprüfung, ob die gemeinsame Arbeit an einem Wiki tatsächlich zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem vermittelten Lernstoff führt, steht noch aus, allerdings sprechen die guten Klausurergebnisse dafür, dass dies der Fall ist.
Empfehlungen
Angesichts der überwiegend positiven Erfahrungen an der Universität Erfurt erscheint ein häufigerer Einsatz von eLearning-Elementen in Vorlesungen zur Aktivierung der Studierenden wünschenswert: Die eLearning-Elemente bieten die Möglichkeit, die Grundidee der Kooperativen Didaktik umzusetzen und die Lehre studierendenzentriert zu gestalten. Daher empfehlen wir einen Einsatz in Vorlesungen, sofern die dafür nötigen technischen Voraussetzungen gegeben sind und ein angemessener Support gewährleistet werden kann.
Verallgemeinerbarkeit
In dem vorliegenden Beispiel wurde die Erstellung des Wikis in einer Vorlesung im Fach Erziehungswissenschaft eingesetzt. Die Erstellung eines solchen Wikis kann jedoch auch auf andere Grundlagenvorlesungen übertragen werden, in denen viele Grundbegriffe vermittelt werden.